Die Corona Chroniken Teil 1 – Willi zieht ein

Das ganze Corona-Gedöns hat mich relativ unerwartet getroffen. Noch letzte Woche habe ich wie viele andere nicht an das Virus geglaubt, mich über Zeitungsschlagzeilen amüsiert und panische Mitbürger veralbert.

Hamsterkäufe?
Klopapier und Ravioli horten?
Wie sinnlos ist das denn?

Und dann das: da stehe ich Freitag Abends im Supermarkt vor dem leeren Klopapier-Regal und verspüre ein Grummeln im Darmbereich. Mein Magen zieht sich zusammen, Adrenalin schießt ein, und die nackte Panik erfasst mich.

Ich erinnere mich nur noch, wie ich schimpfend aus dem Supermarkt renne und den restlichen Abend ziellos und wie in Trance von Discounter zu Discounter irre.

Am nächsten Morgen wache ich auf dem Sofa auf. Mein ganzer Körper schmerzt, und mein Bauch ist von einem Völlegefühl nie erlebten Ausmaßes völlig überspannt. Ein faulig, pelziger Geschmack unbekannter Herkunft hat sich über Nacht in meine Mundschleimhaut eingenistet.

Ich liege ein Weile wie gelähmt auf dem Sofa und starre an die Decke, als plötzlich – wie selbstverständlich – ein Hamster hinter einem Sofakissen um die Ecke biegt. Er richtet sich interessiert auf, und betrachtet mich in meinem ganzen Elend. Er sondiert die Situation auf dem Sofa: ein Mann in fleckiger Jogginghose mit Feinripp-Unterhemd. Alles voller Toastbrot- und Parmesan-Brösel, dazwischen Fetzen von Klopapier mit Tomatensoße.

Der Hamster – wir nennen ihn der Einfachheit halber Willi – fackelt nicht lange. Willi erklimmt flink meinen mächtig aufgequollenen Bauch, schnappt sich einen Fetzen Klopapier und stopft ihn sich in die linke Backe. Willi wirft mir einen Kontrollblick zu, bevor er schnell über meinen gelähmten Körper huscht, und Toastbrotbrösel und weiteres Klopapier einsammelt.

Ich liege weiter wie benebelt auf dem Sofa und kann dem Treiben nur machtlos zusehen. Mein Magen gibt beunruhigende Geräusche von sich und dumpfe, pulsierende Schmerzen lassen meinen Bauch zusammenzucken. Ich will mich vorsichtig zur Seite rollen, überrolle dabei dummerweise die Sofakante und mein Körper landet scheppernd zwischen
den auf dem Teppich verstreuten Raviolidosen.

Langsam kann ich mich hochrappeln, und schlurfe ins Bad. Der faulige Geschmack im Mund ist unerträglich. Ich öffne den Badschrank. Dutzende Tuben Zahnpasta fallen mir entgegen. Ich nehme einen kräftigen Schluck Mundwasser und mache mich auf den Weg in die Küche.

Acht Kästen Bier und ein gutes Dutzend Großpackungen Klopapier stapeln sich im Flur. Ich versuche den Bauch einzuziehen, doch stechende Bauchschmerzen verhindern das. Mit etwas Anlauf kann ich die Engstellen im Flur überwinden und torkle unbeholfen in die Küche.

Auf dem Küchentisch stapeln sich geschätzte 150 Dosen Ravioli. Die guten von Maggi. Die Arbeitsplatte ist mit Toastbrot vollgestapelt, daneben türmt sich dreckiges Geschirr voll Tomatensoße. Das Mundwassr hat seine Wirkung verloren und der faulige Geschmack drängt sich in meinem Mund wieder in den Vordergrund. Ich öffne den Kühlschrank und einige Packungen Miracoli fallen mir entgegen.

Spaghetti im Kühlschrank?
Nö, eigentlich klar!
Meine Küchenschränke sind immer chronisch überfüllt, während der Kühlschrank normalerweise chronisch leer ist.
Spaghetti im Kühlschrank – klar, wo sonst?

Kein Wasser im Kühlschrank, egal! Ich hole mir im Flur ein warmes Bier und spüle mir den Mund aus. Der faulige Geschmack bekommt einen hopfigen Ton. Ich trinke noch ein paar Schlucke und ein wohliges Scheißegalgefühl breitet sich in mir aus.

Erst mal ein bisschen auf der Couch chillen.
Ausgangssperre Tag 1 beendet.

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