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Zu Besuch im Computermuseum München (Grossrechnerabteilung)

Sonntag, Mai 3rd, 2009

Frühling 2009. Schauplatz: ein unscheinbarer Parkplatz im Süden Münchens. Stammtischler Ilona und Robert steigen die Treppen zu einer Tiefgarage hinunter. Langsam gewöhnen sich die Augen an die Dunkelheit. Im Halbdunkel sind einige Kartons und undefinierbare elektronische Geräte zu erkennen. Dahinter ein Verschlag mit mehreren Kartons. Es riecht nach Benzin und Autoreifen. Aus einer Stahltür zur Linken scheint Neonlicht – das muß es sein: die Grossrechnerabteilung des Computermuseums München.

Eingang zum Computermuseum

Ilona und Robert treten ein und werden freudig von einem älteren Herren begrüßt. Es findet gerade eine Führung mit drei Teilnehmern statt. Der ältere Herr erklärt gerade die Funktionsweise eines Lochkartenstanzers von Control Data. Er öffnet das Gehäuse des Gerätes zieht eine Platine in Zigarettenschatelgröße aus dem Gerät und ruft: „das ist ein Flipflop!“. Die Besucher staunen – manche staunen darüber, weil sie nicht wissen was ein Flipflop ist, andere staunen darüber, dass ein Flipflop so groß und so analog sein kann.

Die Führung geht weiter. Es werden Großrechner der Control Data Corporation und deren Peripherie präsentiert. Zudem gibt es historische Platinen mit Kernspeichern zu bewundern – ein Board von der Größe eines Posters hatte immerhin eine Kapazität von einem Megabit. Der ältere Herr betont, dass man mit etwas Fingerspitzengefühl bei einem Kernspeicher durchaus mal ein kaputtes Kabel wechseln kann – das sollte mal jemand bei einem modernen RAM-Speicher probieren. An der Wand lehnt die Magnetscheibe einer historischen Festplatte. Sie hat die Größe eines Wagenrades und faßt immerhin 3 Megabyte.

Ilona vor 3MB Magnetscheibe

Die Führung nähert sich ihrem Höhepunkt: einer der Control Data Großrechner wird hochgefahren. Ein elektrisches Surren erfüllt den Raum. Die Lampen an den Magnetbandspeichern und am Drucker fangen an zu blinken.

Magnetbandspeicher 

Ein Monitor gibt Statusmeldungen aus. Die grünen Zeichen  wirken fremdartig – fast wie die Zeichen auf dem Display eines Raumschiffs in einem Science-Fiction Film oder wie Keilschrift in grün. Es handelt sich um ein Vektor-Display, das alle Zeichen aus Kreisbögen oder Geraden zusammensetzt. Daneben ein Speicherdisplay – neue Textzeilen werden in grellem Grün auf das Display geschrieben – der Effekt wirk futuristischer als im Film Matrix.

Nach geraumer Zeit ist das System betriebsbereit. Der ältere Herr am Terminal startet einen Druckauftrag und schreibt Daten auf den Magnetbandspeicher. Der Drucker bedruckt seitenweise Papier während der Magnetbandspeichern knurrende Geräusche von sich gibt.

Die Führung geht im benachbarten Raum weiter. Es gibt einige Großrechner von Cray und NEC zu sehen. Jede dieser Maschinen hat noch vor wenigen Jahren zweistellige Millionenbeträge gekostet. Jetzt stehen die Maschinen stromlos wie ausgestorbene Technologie-Dinosaurier dicht an Dicht.

 NEC Supercomputer

Beim umherschlendern durch die schmalen Gänge zwischen den Rechnern, bieten sich immer wieder interessante Einblicke in das Innenleben der Großrechner: Stromversorgung mit fingerdicken Stromschienen, dicke Bündel von Kabeln wachsen aus den Leiterplatten, dazwischen Wasserleitungen für die Kühlung der Prozessoren.

Verkabelung

Der kurzweilige Rundgang endete nach etwa 90 Minuten. Das Museum ist ein echter Geheimtipp für Informatiker – hier kann man noch funktionierende Retro-Technologie in Aktion bestaunen. Und das besondere: einer der beiden älteren Herren (welcher sich nach Internetrecherche als der Gründer des Computermuseums herausstellte) ist eigentlich selbst eine Attraktion: er hat in seiner beruflichen Karriere selbst mit Control Data Computern gearbeitet und ist daher in der Lage diese Geräte souverän zu bedienen.

Ein älterer Herr, der durchaus in der Lage ist einen Control Data Großrechner zu bedienen

Fazit: ein absolut sehenswertes Computermuseum mit funktionsfähiger Hardware und originalen, gut erhaltenen Operateuren. Sollte sich ein Leser des Montagsstammtisch-Blogs berufen fühlen selbst mal Hand an die antike Hardware zu legen: einige der Maschinen sind Samstags per Remotezugriff über das Internet zu erreichen.